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Nachschau zum Frühjahrskonzert 2019

DIE RHEINPFALZ – Nr. 84 vom 09. April 2019, von Jürgen Steinmann (ungekürzte Originalversion)

Musiziert wird selbst mit der Leiter

Katholische Vereinskapelle betritt mit ihrem Frühjahrskonzert Neuland

Zeit und Musik lebendig werden ließ die Katholische Vereinskapelle Enkenbach mit ihrem Frühjahrskonzert. Von den Ureinwohnern Amerikas, architektonischen Städtebeschreibungen und unvergesslichen Showstars handelte der erste Teil. Solistische Stars und Finessen stellte sie im zweiten Teil heraus. Mit Stefan Kronenberger und Michael Gärtner standen dabei abwechselnd zwei Männer am Pult, die Zeit ihres Lebens Musik atmeten. Beide zelebrierten eine Orchesterleistung ohne Fehl und Tadel.

Seit frühster Jugend ist Berufsmusiker Michael Gärtner von Schlagwerken fasziniert. Sein beruflicher Werdegang führte den Gastdirigenten und Vibraphon-Solisten zur Deutschen Radio Philharmonie Saarbrücken. Mit den Genen seiner Vorfahren ist Stefan Kronenberger behaftet. Auch sie waren bei der KVK aktiv. Neuland, so der neue Vorstand Johannes Kronenberger, habe man im 95. Jahr seines Bestehens mit der Verpflichtung von Michael Gärtner als Gastdirigent und Solist betreten. „Aus der Neuen Welt“ lautete sinngemäß das Motto. Es bot mit Ereignissen, Land und Leuten vertontes Kopfkino und Kopfmusik in Fülle.

Dass die Chemie zwischen Gast und Orchester stimmte, verriet schon die Anmoderation von Michael Gärtner. Frei und frank plaudernd hielt er das zahlreich erschienene Publikum mit Hintergrundwissen bei Laune. Im Spannungsfeld zwischen dynamischen Vorgaben und individuellen Freiheiten bewegte sich sein effizientes Dirigat. Dvořáks Finale aus der Symphonie Nr. 9 – auch „Aus der Neuen Welt“ genannt – vereinte gekonnt indianische, afrikanische und amerikanische Stilelemente. Eines der dunkelsten Kapitel amerikanischer Geschichte schlug das Massaker von 1890 am „Wounded Knee“ auf. Der gleichnamigen Komposition verlieh ein unter Stefan Kronenberger großartig zusammenspielendes Orchester Konturen. Als rhythmische Stilmittel dienten Pauken, Schlagzeug, Schellenring, Handtrommeln und Kontrabass. Ein wunderschönes Trompetensolo blies Dorothea Baumgarten. Das pulsierende Treiben der Millionenstadt Chicago und den Blick auf ihre Skyline beschrieb mit Vibratotönen „Hancock Building“. Die Überleitung zu „Frank Sinatra Classics“ fiel Moderator Michael Gärtner danach nicht schwer. Ausstrahlung und Stil des Interpreten übertrugen sich in Broadwaymanier auf das schillernd aufspielende KVK-Orchester. Federnde Musizierlust und äußerste Konzentration bewiesen die Musiker. Mit dem Saxophon begeisterte Solist Hans Wiemer.

Fester Bestandteil der Katholischen Vereinskapelle Enkenbach ist deren Jugendkapelle. Fundierte Basisarbeit leistet mit der Musikwerkstatt Nicole Merz. Den daraus rekrutierten Nachwuchs übernimmt dann Chefdirigent Stefan Kronenberger persönlich. Bei „Five Continents“ von Kees Vlak bewiesen neun Nachwuchskünstler mit bekannten Melodien wie der Europahymne, fernöstlichen Klängen und einem charakteristisch angestimmten Square Dance genügend Einfühlungsvermögen. Mit sattem Sound wurden Welthits aus dem Musical „The Lion King“ angespielt. Als harmonische Einheit überzeugte die Jugend mit der Rhythmik-Zugabe „Junior Rock“.

Dass sich selbst mit einer normalen Haushaltsleiter melodische Klänge erzeugen lassen, bewiesen unter lautem Beifall Michael Gärtner und die fünf Schlagzeuger der KVK. „Step by step“ hieß die eindrucksvolle Power-Percussion-Einlage, die ein wahres Trommel-Feuerwerk entfachte. Temposteigerungen, Fingerfertigkeit und erdiges Blues-Verständnis standen bei „Clarinets to the fore“, dem Solo für die Klarinettensektion, im Vordergrund. Seine sinfonischen Fähigkeiten spielte das Enkenbacher Blasorchester bei einem von Paul Murtha arrangierten Glenn Miller-Medley aus. Mit über 50 Spielerinnen und Spielern gelang der üppig bestückten Formation eine Sequenzen auskostende Bigband-Präsentation. Solotrompete und Soloposaune bestimmten den „Blues for a Killed Kat“. Die Stunde von Michael Gärtner schlug bei dem Vibraphon-Solo „A Tribute to Lionel“. In bunten Farben brachte er das metallische Instrument, umrahmt vom verhaltenen Orchesterspiel, zum Klingen. In atmosphärische Klangwelten entführte er mit einem mit vier Schlägeln meisterhaft gespielten Stück. Gefühle wie Leidenschaft, Schmerz und Zärtlichkeit entlockte die Flügelhornspielerin Dorothea Baumgarten Joaquin Rodrigos „En Aranjuez con tu amor“. Mit der Polka „Die lustigen Gesellen“ trumpfte schwungvoll das Tenorhornregister auf. Stehend erklatschte sich das Publikum die Zugaben. Ernst Uebels fröhliche „Jubelklänge“ begleiteten einen noch auf dem Nachhauseweg. „Neue Perspektiven erschlossen hat sich das Orchester mit Michael Gärtners kompetenter Unterstützung“, resümierte Vorstand Johannes Kronenberger.
Fazit: Ein Konzept, das sich für Wiederholungen empfohlen hat.

Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Autors und der RHEINPFALZ.

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